von Pius Leitner, freiheitlicher Landtagsabgeordneter a.D. Ein geflügeltes Wort sagt, dass sehr bald zum Witwer wird, wer sich mit dem Zeitgeist verheiratet. Solches gilt (noch) nicht für den „linksliberalen“ Zeitgeist, der in den vergangenen Jahren alle gesellschaftlichen Bereiche durchdrungen hat. Was vor zwei Generationen begann und als Aufbruch verkrusteter Strukturen, als Überwindung von Faschismus und Nationalsozialismus, als Kampf für Frieden und Demokratie sowie als fortschrittliches Denken deklariert worden war, fand inzwischen seinen Niederschlag in der Eroberung bzw. Übernahme der wichtigsten gesellschaftlichen Festungen, im Gang durch die Institutionen. Wurden diese Ziele tatsächlich erreicht und blieben die Protagonisten ihren „Werten“ treu? Oder ist es nicht eher so, dass sie die ursprünglich bekämpften Unzulänglichkeiten des „Systems“ und die als verwerflich erklärten „Unwerte“ nun selber beherrschen und leben? Sie beherrschen ohne Zweifel die öffentliche bzw. veröffentlichte Meinung, sie beanspruchen die Deutungshoheit über „Werte“ und Begriffe in Politik, Kultur und Gesellschaft und sie gehen sogar so weit, dass sich die Sprache ihrem Diktat unterordnen muss. Mit Unsummen von Steuergeld finanzierte Lehrstühle und Umerziehungsprogramme fürs Gendern dienen nicht der Verbesserung von Lebensverhältnissen der Frauen, sondern leisten dem Verbreiten von ideologisch gefärbten Vorstellungen Vorschub. So nach dem Motto: wer die Sprache kontrolliert, beherrscht die Bürger. Überlieferte Werte, Traditionen und Grundsätze werden ihres ursprünglichen Sinnes beraubt oder gleich über Bord geworfen. Was als Liberalismus daherkommt, ist in Wirklichkeit Ausdruck von Intoleranz und „Illiberalismus“. Das erinnert mich an die Worte des italienischen Sozialisten Ignazio Silone „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen ‚Ich bin der Faschismus’. Nein, er wird sagen ‚Ich bin der Antifaschismus’“. Ähnlich verhält es sich mit Begriffen wie Rassismus, Nazi, Verschwörer usw. Leute, die vorgeben, Rassisten, Nazis, Verschwörer und dergleichen bekämpfen zu wollen, entpuppen sich häufig als willfährige Erfüllungsgehilfen einer illiberalen und intoleranten Geisteshaltung, die keinen Widerstand duldet. Für diese Tugendwächter des Zeitgeistes sind Andersdenkende selbstverständlich Böse, wer die unkontrollierte und illegale Einwanderung kritisiert, ist ein Rassist, wer die Gründe für die Erderwärmung hinterfragt, ist ein Klimaleugner, wer an der Richtigkeit von Maßnahmen zur Eindämmung der Coronakrise zweifelt, ist ein Covidiot, wer dem Vorrang der natürlichen Familie (Mann, Frau, Kind) das Wort redet, ist ein Spießbürger, wer vor dem Islamismus warnt, ist ein Hetzer, wer seine Heimat liebt, ist rechtsextrem und wer die Europäische Union (EU) kritisiert, ist ein Antieuropäer. Kurzum, wer seine Meinung frei äußert, die dem Zeitgeist auch nur ansatzweise widerspricht, ist zunächst dumm, dann verdächtig und schließlich vogelfrei. Wer eine „rechte“ Gesinnung hat, ist selbstverständlich ein Nazi. Dazu meinte der Journalist Konrad Adam: „Als rechts gilt heute, wer einer geregelten Arbeit nachgeht, seine Kinder pünktlich zur Schule schickt und der Ansicht ist, dass sich der Unterschied von Mann und Frau mit bloßem Auge erkennen lässt“. Wie konnte sich eine solche Geisteshaltung durchsetzen und warum kann sie den politischen Diskurs dominieren? Darüber sollten sich alle freien Demokraten, liberalen Konservativen und christlich-sozialen Kräfte ernsthaft Gedanken machen und eine Strategie entwickeln. Es braucht eine offene Auseinandersetzung über alle Themen der Zeit. Zu einer solchen Auseinandersetzung ohne Scheuklappen, mit Anstand und Respekt, müssen selbstverständlich alle gesellschaftlichen Kräfte bereit sein, will man einer anhaltenden Spaltung wirksam vorbeugen.Der Zeitgeist ist links und zerstörerisch