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Autonomie und Eigenstaatlichkeit

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Autonomie und Eigenstaatlichkeit

Wo steht Südtirol heute?

Die Südtiroler Autonomie konnte die deutsche und ladinische Volksgruppe als nationale Minderheiten innerhalb des Nationalstaates Italiens einigermaßen festigen, zudem bildet sie den Rahmen für die positive wirtschaftliche Entwicklung Südtirols. Nach der Annahme des zweiten Autonomiestatutes im Jahre 1972 waren 20 Jahre notwendig, um dieses mit einer Vielzahl von Durchführungsbestimmungen umzusetzen. Anstatt der vorgesehenen zwei Jahre benötigte man 20 Jahre, bis 1992 (etwas überstürzt) die Streitbeilegungserklärung abgegeben wurde.

In den 90er Jahren gab es unter dem Schlagwort „dynamische Autonomie“ auch nach dem Paketabschluss eine autonomiepolitische Aufbruchstimmung und es konnten einige Zuständigkeiten für Südtirol an Land geholt werden. Anfang des neuen Jahrtausends ließ diese Dynamik spürbar nach. Seit knapp fünf Jahren kann gar von autonomiepolitischem Stillstand gesprochen werden.

Seitdem kommt es zudem immer wieder zu Angriffen auf wesentliche Eckpfeiler der Südtirolautonomie, wie etwa einer Aushöhlung des flächendeckenden Prinzips des muttersprachlichen Unterrichts durch Sprachexperimente und Forderungen zur Einführung einer Immersionsschule, der Aufweichung des Proporzes oder zu Forderungen zur Abschaffung der Ansässigkeitsklausel. Besonders fatal – diese Angriffe erfolgen weniger extern, also vom Zentralstaat, sondern kommen von Innen. Eine inhaltlich und autonomiepolitisch in vielen Bereichen weitgehend entkernte SVP hat diesen Angriffen immer öfters argumentativ wenig entgegenzusetzen und folgt teils selbst einem Zeitgeist, der für die gesellschaftliche, sprachliche, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung Südtirols mittel- bis langfristig eine fatale Sprengkraft entwickeln würde.

Ist die derzeitige Teilautonomie das vorläufige Ende des Südtiroler Weges oder werden die Südtiroler die Eigenstaatlichkeit für ihr schönes Land erreichen?

In finanzieller Hinsicht hat es mit dem Mailänder Abkommen (2009) und dem Finanzabkommen Südtirol-Rom (2014) zwei Versuche gegeben die Ausstattung der Südtirolautonomie mit entsprechenden Finanzmitteln auf ein solides Fundament zu stellen. Kurzfristig mag durch die Finanzabkommen sogar ein bestimmtes Maß an Rechtssicherheit erreicht worden sein. Mittel- bis langfristig ändert sich allerdings nichts Wesentliches am Status Quo Südtirols. Die Abhängigkeit von zukünftigen zentralstaatlichen Forderungen und die völlige Abhängigkeit von der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung des Zentralstaates wird durch diese Abkommen nicht in Frage gestellt.

Besonders das Abkommen von 2014 hat Südtirols Entwicklung unweigerlich mit der Entwicklung der Verschuldung Italiens verknüpft. Einen Plan B, für den Fall einer völligen Überschuldung Italiens oder ein Ausscheiden Italiens aus der Euro-Zone – beides Szenarien, die von renommierten Ökonomen als äußerst wahrscheinlich betrachtet werden – ist nicht vorhanden.

Als Synonym für den autonomiepolitischen Harakiri-Kurs der derzeitigen Mehrheitspartei muss das italienische Verfassungsreferendum vom Dezember 2016 gelten. Trotz zentralistischer Ausrichtung der neuen Verfassungsvorlage wurde in Südtirol vonseiten der Landesregierung für eine Zustimmung zu dieser für Südtirol langfristig fatalen Verfassungsänderung geworben und in Südtirol sogar eine Zustimmung hierfür erzielt. Gesamtstaatlich wurde die Verfassungsvorlage mehrheitlich abgelehnt. Bis heute ist nicht nachvollziehbar, welche Ausnahmeregelungen für Südtirol und welcher anscheinend autonomiepolitisch große Wurf diesen verfassungsrechtlich fatalen Schritt rechtfertigen hätte sollen.

Von April 2016 bis Juni 2017 tagte der Südtirolkonvent. Aus autonomiepolitischer Sicht wurde im Rahmen des Südtirolkonvents ein gutes Resultat erzielt, das einen signifikanten Ausbau der Südtirolautonomie vorsieht. Es bleibt zu befürchten, dass die Resultate im Landtag und im Regionalrat völlig verwässert werden, anstatt die Resultate im römischen Parlament zu deponieren und deren zeitnahe Umsetzung zu fordern.

Die Südtirolautonomie muss als Teilautonomie betrachtet werden, die in vielen Bereichen nicht mehr ausreicht, um die wirtschaftliche, soziale, ökologische, sprachliche und gesellschaftliche Entwicklung Südtirols langfristig zu gewährleisten.

Um Südtirol fit für die Zukunft zu machen sind folgende Schritte einzuleiten:

Ausbau der Südtirolautonomie zur Vollautonomie

Die derzeitige Südtirolautonomie ist eine Teilautonomie die in vielen Bereichen keine direkten Zuständigkeiten umfasst. Der nächste autonomiepolitische Schritt muss der Ausbau zur Vollautonomie sein. Dieser Schritt muss sowohl was den Katalog der Zuständigkeiten anbelangt weit über das heutige Maß hinausreichen und nur mehr einige wenige Kompetenzen beim Zentralstaat belassen, aber auch was die Qualität und Absicherung der Autonomie betrifft völlig neue Maßstäbe setzen.

Zuständigkeiten:

  • Prinzipiell werden sämtliche Zuständigkeiten, bis auf einige wenige Ausnahmen, die beim Zentralstaat verbleiben, zu primären Zuständigkeiten des Landes Südtirol. Sämtliche sekundäre Zuständigkeiten werden zu primären Landeskompetenzen.
  • Vollständige Finanzhoheit und Steuerhoheit. Verhandlung mit dem Zentralstaat über die Übernahme der auf das Land Südtirol entfallenden Staatsverschuldung. Im Zuge dieser Verhandlungen werden sämtliche Aktiva und Passiva des Zentralstaates (auf Südtirol bezogen) übernommen.
  • Das Land Südtirol übernimmt einen bestimmten Anteil der Staatsschulden und erhält im Gegenzug das materielle Eigentum sämtlicher Immobilien des Zentralstaates, die in Südtirol liegen. (Staatsstraßen, Eisenbahnanlagen, Militärareale, Aktiengesellschaften, die mehrheitlich im Eigentum des Zentralstaates sind wie etwa die Post usw.). Sollten in Zukunft Dienstleistungen des Zentralstaates in Anspruch genommen werden (Verteidigung, konsularische Vertretung usw.) wird hierfür ein Finanzausgleich verhandelt. Die Finanzgebarung Südtirols wird vollständig von der des Zentralstaates entkoppelt. Südtirol erhält die Zuständigkeiten für die Steuereinhebung und die Festlegung der Steuersätze. Das Steuerrecht, einschließlich der Einhebung und Festsetzung der direkten und indirekten Steuern, wird Landeskompetenz.
  • Sollten unerwartete Ereignisse eintreten, wie etwa ein Austritt Italiens aus der Eurozone (freiwillig oder aus sonstigen Gründen), hat Südtirol die Möglichkeit diesen Schritt mitzutragen, nicht mitzutragen oder andere Lösungen in Erwägung zu ziehen. Sollte die EZB nicht mehr die Währungspolitik bestimmen geht diese Zuständigkeit an das Land über. Südtirol ist durch die Finanzhoheit auch nicht mehr Teil von zentralstaatlichen Stabilitätspakten.
  • Das Landeshaushaltsgesetz wird Kern der zukünftigen Südtiroler Finanzgebarung. Teil der Finanzhoheit ist auch ein Landesrechnungshof, der in die alleinige Zuständigkeit des Landes fällt.
  • Durch die vollständige Finanz- und Steuerhoheit gewinnt Südtirol die Möglichkeit und übernimmt die Verpflichtung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Gegebenheiten die Gesamtverschuldung schnellstmöglich auf 60 Prozent des BIP zu senken. Dies ist eine Investition, um zukünftigen Südtiroler Generationen ein Land zu überlassen, das wirklich Gestaltungspielraum für die Zukunft bietet.
  • Mit der Finanz- und Steuerhoheit erhält Südtirol auch die Möglichkeit eigene Euromünzen zu prägen. Der Zentralstaat verpflichtet sich hierfür bei der EU einzusetzen.
  • Errichtung eines Landesrenteninstitutes. Übernahme sämtlicher Rentenverpflichtungen. Die Renten wurden Ende der 90er Jahre auf Beitragssystem umgewandelt. Dieses Prinzip bezieht sich lediglich auf die Berechnung der Rentenhöhe. Die Auszahlung der Renten erfolgt nach wie vor nach dem Umlageprinzip. Zukünftige Rentenansprüche werden vom Land Südtirol übernommen und laufende Beitragszahlungen in den Landesrentenfond eingezahlt. Internationale Rentenansprüche werden über das Landes-Renteninstitut verrechnet.
  • Primäre Kompetenz im Bereich des Sozialversicherungswesens.
  • Umformung der Autonomen Provinz Bozen in eine eigenständige „Autonome Region Südtirol-Sudtirolo“, auf derselben Ebene mit einer „Autonomen Region Trentino”. Ersetzung des Regionalrats durch ein gemeinsames Organ und der Regionalregierung durch einen paritätischen Koordinierungsausschuss, und der Regionalverwaltung durch die jeweilige Landesverwaltung. Dieses übergeordnete Gremium wird sinnvollerweise um das Bundesland Tirol (Nordtirol) erweitert und ersetzt die Europaregion Tirol. Bei Abschaffung der heutigen Region müsste auf dem Wege freier, demokratischer Verfahren den ladinischen Gemeinden des Trentino und den drei ladinischen Gemeinden des Belluno die Möglichkeit geboten werden sich für die eine oder andere Region zu entscheiden.
  • Recht der Ladiner alle Ämter zu bekleiden. Aufwertung des Ladinischen als Amtssprache in den ladinischen Talschaften.
  • Asymmetrische Förderung zugunsten der ladinischen Sprache und Kultur als der kleinsten autochthonen Volksgruppe Südtirols.
  • EU Recht wird direkt in Landesrecht umgewandelt. Das Verfahren der Umsetzung von Unionsrecht in Landesrecht wird zwischen EU und Land direkt geregelt.
  • Beteiligung an allen Verhandlungen mit der EU, die autonome, primäre Zuständigkeiten betreffen. Das Land Südtirol kann direkte Beziehungen zur EU-Kommission und anderen Institutionen unterhalten.
  • Für die Verwaltung der EU-Gelder, die in die Zuständigkeitsbereiche Südtirols fallen, ist das Land direkt zuständig. Das Land Südtirol erhält ein Klagerecht beim Europäischen Gerichtshof.
  • Südtirol wird ein eigener Wahlkreis für die Wahl zum Europäischen Parlament. Diesem Wahlkreis wird mindestens ein Mandat zugeordnet. Es kann auch angedacht werden einen eigenen EU Wahlkreis für die Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino einzurichten.
  • Internationale Vertragstätigkeit: Beteiligung an allen internationalen Verhandlungen des Zentralstaates, die autonome, primäre Zuständigkeiten betreffen.
  • Eigeninitiative für internationale Verhandlungen, Verträge und Zusammenarbeit in allen Bereichen, die autonome, primäre Zuständigkeiten betreffen.
  • Möglichkeit von Auslandsvertretungen und Aufnahme diplomatischer Beziehungen.
  • Südtirol erhält die Möglichkeit in allen internationalen Verbänden, Organisationen und Gremien, die Bereiche betreffen in denen Südtirol die primäre Zuständigkeit hat, als unabhängiges Mitglied beizutreten.
  • Zuständigkeiten im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit.
  • Landespolizei und innere Sicherheit: Primäre Zuständigkeit für das Polizeiwesen und Übernahme der Kompetenzen des zentralstaatlichen Innenministeriums. Übernahme der staatlichen Polizei und Schaffung einer Landespolizei. Für die Abstimmung und den Datenfluss mit dem Zentralstaat und die internationale Abstimmung wird eine eigene, übergeordnete Landespolizeibehörde geschaffen.
  • Abschaffung des Regierungskommissariats und Übertragung der Kompetenzen an den Landeshauptmann.
  • Landesgerichtswesen bis zur dritten Instanz: Verwaltung der Gerichte und Besetzung der Stellen erfolgt autonom und wird Landeskompetenz.
  • Primäre Zuständigkeiten im Bereich des Privatrechts und Strafrechts, wenn Anpassungen an spezifische Landesbedürfnisse notwendig sind oder bestimmte Artikel eigenständig besser gelöst werden können.
  • Primäre Zuständigkeiten im Bereich des Arbeitsrechtes und der Arbeitssicherheit. Eventuelle Vorgaben der EU werden durch das Land in Landesrecht umgewandelt.
  • Tarifhoheit: Das Land Südtirol kann in allen Bereichen in denen dies gewünscht wird eigenständige Flächentarifverträge abschließen.
  • Primäre Zuständigkeit im Bereich der Ausländerbeschäftigung.
  • Post- und Telekommunikationswesen: Übernahme der staatlichen Post bzw. der Postbetriebe, die sich im Eigentum des Zentralstaates befinden. Kompetenz zur Ausgabe eigener Postwertzeichen. Südtirol wird eigenständiges Mitglied im Weltpostverein, der die Rahmenbedingungen für den internationalen Postverkehr regelt.
  • Mit dem Telekommunikationswesen erhält das Land die Zuständigkeit Lizenzen für Telekommunikationsbetriebe für das Land Südtirol zu vergeben. Südtirol erhält eine eigene Telefonvorwahl und bekommt die Möglichkeit als autonome Region bei der ICANN eine Country-Code Top-Level-Domain zu beantragen, z.B. .str
  • Zuständigkeiten im Bereich des Eisenbahn-, Seilbahn und Verkehrswesen: Das Land Südtirol wird materieller Eigentümer sämtlicher Bahn- und Straßenanlagen und übernimmt die rechtlichen Zuständigkeiten für die Zulassung von Bahnfahrzeugen, die Betriebsführung von Bahnanlagen und Seilbahnanlagen.
  • Primäre Zuständigkeit für die Straßenverkehrsordnung und die Ausschreibung der Konzession für die Brennerautobahn auf dem Gebiet des Landes. Zuständigkeiten für das Mautwesen und Übergang der Brennerautobahn in materielles Eigentum des Landes.
  • Für die Finanzierung des Brennerbasistunnels wird eine europäisch/internationale Lösung vereinbart.
  • Primäre Kompetenz im Schul-, Lehrlings-, Bildungs-, und Universitätswesen. Primäre Zuständigkeiten bezüglich Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse. Primäre Zuständigkeiten im Bereich der wissenschaftlichen und technologischen Forschung und Innovation.
  • Primäre Kompetenz für das Gesundheitswesen einschließlich der Kompetenz bezüglich Zulassung von Arzneimitteln und des Apothekenwesens. Das Land Südtirol kann Medikamente selbst importieren (Import aus Italien, Österreich, Deutschland oder Schweiz). Vor allem letzteres kann im Sinne von mehrsprachigen Produktbeschreibungen für Südtirol einen Druchbruch bringen.
  • Primäre Zuständigkeit im Bereich der Sozialfürsorge, des Familienrechtes und der Familienpolitik.
  • Primäre Kompetenz im Bereich der Handelsgesetzgebung, der Handelsordnung, des Bankwesens, des Versicherungswesens, des Genossenschaftswesens, des Tourismus und der Landwirtschaft. Zuständigkeit für Notare, Anwälte, Berufskammern, freie Berufe und der Berufsordnungen.
  • Südtirol erhält die Möglichkeit einen eigenen IBAN Code zu beantragen.
  • Primäre Zuständigkeit im Bereich des Lizenzwesens.
  • Primäre Zuständigkeit im Bereich des Außenhandels.
  • Primäre Zuständigkeit für das Vergabewesen im Rahmen des EU-Rechts.
  • Primäre Kompetenz für das Wahlrecht, die Ordnung der Institutionen innerhalb des Landes und der Gemeindeordnung.
  • Primäre Zuständigkeit für Raumordnung, Umwelt-, Landschaftsschutz und Energiewesen. Erzeugung und Verteilung von Energie auf Landesebene.
  • Primäre Kompetenz im Bereich des Konsumentenschutzes einschließlich der Regelung zur Verpflichtung zur Zwei- bzw. Dreisprachigkeit. Primäre Zuständigkeit im Bereich der Ernährung.
  • Primäre Kompetenz im Bereich des Eigentums an Immobilien (Grundverkehrsrecht in Einklang mit den EU-Bestimmungen) zur Verhinderung der überzogenen Veräußerung von Grund und Boden und Eindämmung des Zweitwohnungs- und Ferienwohnungsbaus.
  • Primäre Kompetenzen in sämtlichen Rechtsbereichen, die die Umsetzung der direkten Demokratie und Bürgerpartizipation betreffen.
  • Übernahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für alle drei Sprachgruppen. Ein Rundfunkbeirat garantiert die inhaltliche und personelle Unabhängigkeit und Autonomie der Sendeanstalt. Verwaltung, Einhebung und Festsetzung der Rundfunkgebühren auf Landesebene.
  • Primäre Zuständigkeit im Bereich des Sports: Südtirol erhält die Möglichkeit allen internationalen Verbänden, in denen dies gewünscht wird, als unabhängiger Landesverband beizutreten und an internationalen Wettbewerben teilzunehmen. Im Bereich des Olympischen Komitees wird für Südtirol eine entsprechende Ausnahmeregelung geschaffen.
  • Primäre Zuständigkeiten im Bereich der Immigration, des Asylrechts und der Aufenthaltsgenehmigungen im Einklang mit dem entsprechenden EU-Recht.
  • Einführung einer regionalen Staatsbürgerschaft, an die bestimmte Rechte geknüpft werden. (z.B. Alandinseln). Primäre Kompetenz im Bereich der Ausgabe von Reisepässen mit der Möglichkeit eigene Südtirolpässe auszugeben.
  • Automatische primäre Zuständigkeit in Bereichen, die heute noch nicht abgeschätzt werden können und die sich aus zukünftigen Entwicklungen ergeben.
  • Ausweisung Südtirols als militärfreies Gebiet bzw., Unterstellung militärischer Aktivitäten unter die Kontrolle des Südtiroler Landtages. Beteiligung Südtirols an Initiativen im Rahmen eines EU-Militärs und einer zukünftigen EU-Verteidigung. Beteiligung an europäischen Initiativen wie etwa Frontex. Einrichtung einer kleinen, autonomen, Südtiroler Militäreinheit, die verstärkt auch Aufgaben im Zivilschutz wahrnimmt.
  • In der Übergangsphase von der heutigen Autonomie zur „Vollautonomie“ erarbeitet eine repräsentative, verfassungsgebende Versammlung die institutionelle Neuordnung des Landes. (Organe des Landes, Bezirksgemeinschaften, Gemeindeordnung, Wahlrecht, Verankerung der direkten Demokratie usw.). Dabei wird der mehrsprachige Charakter Südtirols und das Zusammenleben dreier autochthoner Volksgruppen entsprechend berücksichtigt.
  • Südtirol erhält die Statutshoheit (Hoheit über die Landesverfassung). Die Zuständigkeit für die Abänderung des Autonomiestatutes liegt bei den Bürgern Südtirols und dem Südtiroler Landtag. Die Zulässigkeit desselbigen wird vom Landesverfassungsgerichtshof geprüft. Keine Zustimmung des römischen Parlaments notwendig. Ohne Zustimmung von 2/3 des Südtiroler Landtages oder 50% bei einer Volksbefragung kann das Statut (Landesverfassung) nicht abgeändert werden.
  • Im Rahmen eines vollautonomen Status, in dem doch ein einigermaßen akzeptabler Schutz vor nationalstaatlich/zentralstaatlichen Eigendynamiken besteht, hat der Südtiroler Landtag als demokratisch legitimierte Vertretung Südtirols auch die Möglichkeit über die weitere Ausgestaltung/Aussetzung/Aufhebung der spezifischen Schutzklauseln zugunsten der kulturellen und sprachlichen Integrität der deutschen und ladinischen Minderheit zu bestimmen.

Qualität der Kompetenzen

  • Sämtliche Kompetenzen sind primäre Zuständigkeiten. Sekundäre und tertiäre Zuständigkeiten werden in primäre Zuständigkeiten umgewandelt. Diese unterliegen den internationalen Verträgen und der Verfassung.
  • Den Organen des Landes Südtirol wird originärer Charakter zuerkannt, das bedeutet die Autonomie Südtirols wird auf den Status einer regionalen Souveränität gehoben, die sich nicht von der Souveränität des Zentralstaates ableitet, sondern originär ist. Zudem wird spezifiziert, dass es sich um eine Sonderautonomie handelt, die aufgrund internationaler Verträge vereinbart wurde.
  • Prinzipiell wird dieser Sonderautonomie das Recht auf Selbstbestimmung eingeräumt. Aufhebung des Nebensatzes „die eine und unteilbare Republik“ des Art. 5 ital. Verfassung für das Land Südtirol als andauernde Schutzklausel.

Folgende Klauseln werden abgeschafft und haben für Südtirol keine Anwendung:

  1. Ausrichtungs- und Koordinierungsbefugnis
  2. Nationales Interesse
  3. Suprematieklausel
  4. Grundsätze der italienischen Rechtsordnung
  5. Grundrichtlinien der wirtschaftlichen und sozialen Reformen des italienischen Staates
  6. Jede zukünftige Klausel, Gesetze oder Verfassungsänderungen, die die Autonomie einschränken könnten
  • Einrichtung eines Landesverfassungsgerichtshofes (LVGH)
  • Zuständigkeitskonflikte werden durch einen Landesverfassungsgerichtshof geklärt. In diesem Falle wird dieser paritätisch zwischen Land und Zentralstaat besetzt.
  • Wenn es um die Übereinstimmung von Landesgesetzen mit der Landesverfassung (Autonomiestatut) geht, tagt der LVGH ohne die Vertreter des Zentralstaates.
  • Ein paritätisch besetzter Rat, der sich regelmäßig trifft, bespricht und erörtert die Beziehungen zwischen Land und Zentralstaat.

Eigenständiger institutioneller Status innerhalb Italiens

Um den Sonderstatus Südtirols langfristig abzusichern sollte im Rahmen der Entwicklung zur Vollautonomie ein eigener institutioneller Status für Südtirol entwickelt werden. Dieser Status würde immer noch innerhalb des italienischen Staates angesiedelt sein.

Folgende Lösungen sind möglich:

Italien besteht aus Regionen mit Normalstatut und Regionen mit Sonderstatut, zuzüglich der beiden autonomen Provinzen Bozen und Trient, die im Zuge der unter Punkt 1 aufgelisteten Punkte sowieso zu eigenständigen Regionen aufgewertet werden.

  1. Südtirol als Region mit Sonderstatut mit internationaler Absicherung. Um dem Sonderstatus Südtirols einen institutionell eigenen Charakter zu verleihen soll für Südtirol eine neue Kategorie von Region eingeführt werden und zwar: Region mit Sonderstatut mit internationaler Absicherung. Damit findet der internationale Charakter der Südtirolfrage einen entsprechenden institutionellen Niederschlag.
  2. Um den eigenen Charakter der Vollautonomie Südtirols zu untermauern soll anstatt von Region, zukünftig von Land Südtirol im Sinne eines eigenen Bundeslandes bzw. eigenen Kantons gesprochen werden.
  3. Konföderation zwischen Südtirol und Italien mit der Möglichkeit für beide Seiten die Konföderation einseitig zu kündigen.

Südtirol als eigenständiger, unabhängiger Staat

Solange Südtirol Teil Italiens ist bzw. innerhalb Italiens nicht über einen eigenen, vollautonomen institutionellen Rahmen verfügt (siehe oben), sind Entwicklungen, die das Überleben der deutschen und ladinischen Minderheit gefährden, nie auszuschließen.

Freistaat – darunter verstehen die Südtiroler einen eigenständigen, souveränen Staat in Europa.

Es gilt in Erinnerung zu rufen, dass die Existenz der Südtirolautonomie der Tatsache geschuldet ist, dass die deutsche und ladinische Minderheit innerhalb des Nationalstaates Italiens einen Sonderfall bilden. Sollten Situationen eintreten, die Südtirol im nationalstaatlichen Kontext nicht mehr zu einem Sonderfall machen, wie beispielsweise eine schleichende sprachliche Assimilierung oder ein mangelndes Identitätsbewusstsein anders zu sein als die Bevölkerung der Titularnation des Nationalstaates Italiens, entfällt automatisch die Legitimität eines autonomen Status für Südtirol.

 

Folgende Entwicklungen sind möglich bzw. sind teils schon eingetreten:

  • Andauernde Notwendigkeit den Südtiroler Sonderstatus auf zentralstaatlicher Ebene zu verteidigen. Sollten die Kräfte und die Energie zur Verteidigung des Südtiroler Sonderstatus nachlassen – es gibt Anzeichen in diese Richtung – wird über kurz oder lang auch die Südtiroler Autonomie ausgehöhlt oder gar vollständig in Frage gestellt.
    Solange die heutige Dialektik zwischen nationaler Minderheit (Deutsche, Ladiner) und nationaler Mehrheit (Italiener) durch einen völlig anderen institutionellen Rahmen nicht aufgehoben wird, ist eine konsequente Abgrenzung geradezu notwendig.
  • Frontalangriffe auf das Prinzip des flächendeckenden muttersprachlichen Unterrichts oder Ausweitung von Sprachexperimenten, wie CLIL usw. Dadurch kann mittel- bis langfristig, ähnlich wie im Aostatal eine Assimilierung eintreten. Deutsch und Ladinisch sowieso, würde immer mehr zu einer Fassadensprache verkommen.
  • Mangelndes Selbstverständnis Südtiroler zu sein und sukzessive Identifizierung mit Italien, z.B. über das Selbstverständnis ein deutschsprachiger Italiener zu sein. Diese Prozesse sind teils bereits eingetreten.
  • Mangelndes Bewusstsein als deutsch- und ladinischsprachiger Südtiroler Teil des österreichisch/ deutschen Kulturraumes zu sein.
  • Mangelnder sprachlicher und kultureller Austausch mit dem österreichischen und deutschen Hinterland.
  • Verfestigung einer nationalstaatlichen Logik auf vielen gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und institutionellen Ebenen.

Der Rahmen in den Südtirols Autonomie eingebettet ist wird von zwei Polen bestimmt:

1) Die Zugehörigkeit zu einem Zentralstaat, der sich in seinem Selbstverständnis als sprachlich homogener Nationalstaat definiert, verlangte im nationalstaatlichen Kontext eine Sonderregelung für den Ausnahmefall Südtirol, eben das Autonomiestatut.

2) Die Existenzberechtigung für Südtirols Autonomie steht und fällt mit dem Status des Sonderfalles. Sobald Südtirol im nationalstaatlichen Sinne kulturell und sprachlich keinen Sonderfall darstellt, fällt die Legitimation für den autonomen Status.

Die Dynamik dieser beiden Pole raubt Südtirols Entwicklung in zweierlei Hinsicht wertvolle Ressourcen.

1) Durch die andauernde Notwendigkeit zur Verteidigung seiner Autonomie gegenüber zentralstaatlichen Vereinheitlichungstendenzen und kultureller, sprachlicher Assimilierungsgefahren gehen wertvolle Ressourcen verloren. Zudem ist nicht sichergestellt, dass es nicht irgendwann zu Ermüdungserscheinungen kommt und zentralstaatlichen Begehrlichkeiten nichts mehr entgegengesetzt wird.

2) Diese kontinuierliche Notwendigkeit zur Verteidigung der eigenen Andersartigkeit hat ein bestimmtes Maß an Abgrenzung und Abschottung zur Folge. Das Potential einer Region mit drei autochthonen Volksgruppen kann deshalb innerhalb des derzeitigen, zentralstaatlichen Kontextes nicht ausgeschöpft werden.

Neben wirtschaftlichen Gründen ist dies einer der Hauptgründe warum es sich lohnt über eine substantielle Änderung des Status Quo nachzudenken. Nicht der Akt einer möglichen Selbstbestimmung soll im Mittelpunkt der Diskussion stehen, sondern die für Südtirol bestmöglichen institutionellen Rahmenbedingungen für eine gesamtgesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung.

Das Thema „Selbstbestimmung“ wird in Südtirol häufig mit Unabhängigkeit oder Sezession gleichgesetzt, was nicht korrekt ist. Im Prinzip ist Selbstbestimmung ein gesellschaftlicher Prozess. Am Ende dieses gesellschaftlichen Prozesses kann es sein, dass über die Unabhängigkeit abgestimmt wird. Die Unabhängigkeit ist ein mögliches Ziel des Prozesses der Selbstbestimmung. Ziel kann auch die Beibehaltung des Status Quo sein.
Die derzeitige einseitige Diskussion, die meist lediglich über den Status Quo der Staatszugehörigkeit geführt wird (Zugehörigkeit zu Italien, Zugehörigkeit zu Österreich, eigener, unabhängiger Staat) wird der gesellschaftlichen Vielfalt des Themas in keiner Weise gerecht.

Kleine Schweiz Südtirol

Warum ein eigenständiger, souveräner Staat Südtirol?

Aus folgenden Gründen würden sich die Freiheitlichen innerhalb eines Südtiroler Selbstbestimmungsprozesses für ein eigenständiges, unabhängiges Südtirol einsetzen.

  • Ein eigenständiger, souveräner und unabhängiger Staat Südtirol würde das Denken in Mehrheit und Minderheit überwinden. So wie sich ein französischsprachiger Schweizer auch nicht als Minderheit in der Schweiz fühlt, sondern in seinem Selbstverständnis ein französischsprachiger Schweizer ist, würden in einem unabhängigen Südtirol auch alle drei autochthonen Volksgruppen Teil des Südtiroler Staatsvolkes sein.
  • Die rein numerisch geringere Anzahl von italienischsprachigen und ladinischsprachigen Südtirolern im Gegensatz zu den deutschsprachigen Südtirolern würde noch keine neue Dialektik in Minderheit und Mehrheit etablieren, da ein neuer Staat Südtirol, so wie die Schweiz, in seinem Selbstverständnis dreisprachig sein wird. Südtirol wäre Heimat für alle deutsch-, ladinisch- und italienischsprachigen Südtirolern, die als autochthone Volksgruppen die Südtiroler Nation bilden würden.
  • Die im nationalstaatlichen Kontext notwendigen Schutzmechanismen, wie etwa das flächendeckende muttersprachliche Prinzip im Schulbereich, eine Vergabe der öffentlichen Stellen nach dem Proporz und die Ansässigkeitsklausen, wären dann nicht mehr in dieser Art und Weise notwendig. Dies deshalb, da Südtirol in seinem Selbstverständnis kein einsprachiger Nationalstaat wäre, sondern eine mehrsprachige, kleine Schweiz.
    Selbstverständlich müssten durch das institutionelle Gefüge und die Südtiroler Verfassung Garantien abgegeben werden, damit diese Mehrsprachigkeit langfristig erhalten bleibt.
  • Die von den Freiheitlichen im Mai 2018 vorgestellte Unabhängigkeitsstudie belegt, dass Südtirol als eigenständiger Staat wirtschaftlich sehr wohl überlebensfähig wäre. Dies wurde von Unabhängigkeitsgegnern immer wieder in Frage gestellt. Die Studie belegt aber auch die enge Vernetzung der Südtiroler Wirtschaft mit der italienischen Wirtschaft und den Nachbarländern. Deshalb ist ein Unabhängigkeitsprozess immer als einvernehmlicher Akt zu verstehen, dem Verhandlungen mit dem Zentralstaat und den Institutionen der EU vorausgehen müssen.
  • Im Rahmen der Verhandlungen mit dem Zentralstaat sind eine Vielfalt von ökonomischen Fragen und juristischen Fragen im Sinne der Rechtsnachfolge zu klären. Für einige Aspekte gäbe es Vorlagen, auf einigen Bereichen betritt man Neuland. Es gilt aber festzuhalten, dass viele offene Fragen schon im Zuge der autonomiepolitischen Entwicklung zur Vollautonomie, wie oben skizziert, geklärt werden. So würde eine vollständige Finanz- und Steuerhoheit schon wirtschaftliche und finanzielle Unabhängigkeit herstellen. Ähnlich verhält es sich in allen anderen Bereichen, in denen das Land Südtirol die primäre Kompetenz ausübt.

Unabhängigkeit und Verhältnis zur EU

  •  Neben Verhandlungen mit dem Zentralstaat müssen auch Verhandlungen mit der EU geführt werden. In der EU sollen transparente und klar geregelte Scheidungsregeln für Regionen, die nach Unabhängigkeit streben, ausgearbeitet werden. Italien, Südtirol und die verschiedenen Institutionen der EU könnten im Falle von Südtirol und einiger anderer nach Unabhängigkeit strebender Regionen Pionierarbeit leisten. Es geht nicht darum die heutigen -Nationalstaaten abzuwickeln, es geht darum Regionen, die nach Unabhängigkeit streben einen klar geregelten Rahmen anzubieten innerhalb dessen eine Prozess der Selbstbestimmung eingebettet werden kann.
  • Für die derzeitige Krise der EU, die durch das politische Establishment verursacht wurde, könnte Südtirol eine Modellregion darstellen. Dies setzt allerdings voraus, dass sich die EU nicht in Richtung eines zentralistischen Superstaates weiterentwickelt, sondern in Richtung einer Gemeinschaft, die unter Anwendung eines konsequenten Subsidiaritätsprinzip seine Regionen stärkt und nur mehr wenige Kompetenzen bei Brüssel belässt, wie etwas die Spielregeln für den gemeinsamen Wirtschaftsraum, Verteidigung, Vertretung europäischer Interessen im globalen Kontext, rigoroser Schutz der Außengrenzen usw.

Es gibt verschiedenen Bereiche, die eine Weiterentwicklung der heutigen EU akut in Frage stellen:

  • Krise der Gemeinschaftswährung Euro. Viele namhafte Ökonomen prognostizieren eine Abwicklung des Euro. Für Südtirol würde der Brenner wieder Währungsgrenze, was völlig unakzeptabel wäre. Ein gewichtiger Grund zumindest für einen vollautonomen Rahmen, der Südtirol in diesem Falle eine eigenständige Entwicklung ermöglicht.
  • Eskalation der europäischen Schuldenkrise. Viele namhafte Ökonomen prognostizieren, dass bestimmte Staaten, darunter auch Italien, keine Chance haben mittel- bis langfristig ihre Schulden zu bedienen. Die Eurokrise hat bisher nicht Eigenverantwortung gefördert, sondern Begehrlichkeiten nach einer Transferunion geweckt. Diesem zentralistischen und bürokratischen Ansatz, der Europa im globalen Wettbewerb schwächen würde und intern zu noch größeren Spannungen führen würde, stünden Modellregionen wie Südtirol gegenüber, die Verantwortung für ihre Finanzen übernehmen und somit beispielhaft für einen finanzpolitischen Neustart Europas im Sinne von eigenverantwortlich wirtschaftenden Regionen, stehen könnte.

Selbstbestimmung als Prozess:

Ein gemeinsamer Prozess der Selbstbestimmung muss zweistufig aufgebaut werden und besteht aus einen doppelten Abstimmungsverfahren:

Abstimmung 1

In einer freien Abstimmung entscheidet sich Südtirol für die Einleitung eines Prozesses der Selbstbestimmung an dessen Ende eine weitere Abstimmung über den institutionellen Status quo (Eigenstaatlichkeit, Rückkehr zu Österreich, Verbleib bei Italien oder andere Lösung, wie etwas eigenständiger Schweizer Kanton) abgestimmt wird.

Nach der ersten Abstimmung wird in einem ergebnisoffenen Prozess der beste institutionelle Rahmen für Südtirol erarbeitet. Dabei werden alle gesellschaftlichen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Aspekte eingehend analysiert.

Abstimmung 2

Am Ende dieses Prozesses wird in einer Abstimmung über den zukünftigen Status quo Südtirols entschieden. Als wahrscheinliche Lösungen könnten sich folgende Szenarien herauskristallisieren:

  1. Eigenständiger, souveräner Staat Südtirol
  2. Anschluss an Österreich
  3. Verbleib bei Italien
  4. Andere Lösung, wie etwa eigener Schweizer Kanton
Autonomie und Eigenstaatlichkeit, Positionspapier, Programm
Zellers Aussagen zu Doppelpass inakzeptabel
Soziales